Dienstag, 7. November 2006
Tai Shan 26./27.10.



Ein intensiver Ausflug auf einen der bedeutendsten heiligen Bergen Chinas war das: Obwohl ich insgesamt nur 30 Stunden unterwegs war, war ich hinterher absolut am Ende.

Das liegt wohl hauptsächlich daran, dass von 30 Stunden höchsten 4 Stunden geschlafen habe...

Die Nächte verbrachte ich im Zug, im sog. Hartsitz-Abteil, eingekuschelt zwischen zwei Chinesen und kaum Platz für meine (für chinesische Verhältnisse) laangen langen Beinen. Außerdem war eine grelle Halogenlamope die ganze Zeit an und gegen vier Uhr morgens stiegen lauter besoffene Männer ein.
Und... ich wusste nicht wann ich ankommen würde und traute mich folglich nicht einzuschlafen.

Gegen 7 Uhr morgens stieg ich ein wenig zerknittert aus dem Zug aus. Hungrig ging ich zum einer Essensverkäuferin und holte mir Dumplings und Reisbrei. Normalerweise kostet das 2 Yuen, also 20 cent, aber die Frau sagte: "For you it's ten kwai!", und weil ich von den Pekingern gewohnt war, ausgenommen zu werden, wurde ich schon ärgerlich, als ich merkte, dass alle anfingen zu lachen.

Von da an gings bergauf. Im wörtlichen und übertragenen Sinn. Der Anstieg begann und ein paar Chinesen sprachen mich an. Sie schenkten mir unbekannte Früchte und erzählten mir viel. Ich grinste zurück. Auf wildes Silbengewirr anwortete ich die chinesischen Brocken, die ich kannte. Sie amüsierten sich sehr und ich will nicht wissen, auf welche Fragen ich "Deutschland" oder "18" geantwortet hab.
Fließend kann ich nur nach dem Weg fragen... und verstehe die Antwort nicht...! Mit Gestik kommt man aber immer erstaunlich weit.

Trotzdem war ich froh, als ich nach zwei Stunden Treppensteigen zwei englischsprechende junge Gestalten erblickte. Andi und Jordon sind Sinologiestudenten und sie sind auch die ersten Amis, mit denen ich mich über Politik unterhalten habe. Wir redeten stundenlang über Gott und die Welt und lenkten uns so von der endlosen Treppen ab.

Die bizarrsten Gestalten trafen wir auf dieser Treppe: Ein wortloser alter Mann umarmte uns ohne ersichtlichen Grund und wollte mit uns fotografiert werden. Da ich nicht so gerne Fotos mache, alberte ich ein bisschen rum und der Mann gab ein trockenes: "Haha, sie tanzt!" von sich - und war wieder stumm.
Ein Mönch redete dafür umso mehr und nach einer kleinen Ewigkeit verstanden Andi und Jordon, dass er gerade versuchte, ihnen ihr Seelenheil zu verkaufen. Er wollte auch unbedingt ihre Hand lesen. Bei uns machte er auf jeden Fall kein Geschäft.

Stufe für Stufe erklommen wir den Gipfel und wurden von Lastenträgern, die 1,60€ für 50kg bekommen, die sie den ganzen Trppen hoch schleppen, überholt. Nach 4 Stunden und 1600 Stufen kamen wir endlich an. Uns bot sich wunderschöner Ausblick und wir setzen uns erschöpft auf einen Felsenvorsprung, um einmal durchzuatmen.

Die beiden luden mich zum Mittagessen ein und hinterher machte ich mich wieder an den Abstieg.

Gegen 6 wurde es dunkel und ich wusch mich am Fluss. Richtig half es trotzdem nicht und als ich einen Stausee entdeckte, in dem ich einen Chinesen schwimmen sah, warf ich mich in das kühle Nass.

Un 12 fuhr mein Zug wieder ab, aber diesmal hatte ich meinen Sitzplatz hart erkämpfen müssen. Ohne Platzkarte muss man einfach der erste sein. Chinesen sind da nicht zimperlich: Mir flog bei der Zugtür ein Koffer am Kopf vorbei und eine Frau hechtete hinterher und landete auf mir. Zum Glück drangelte von hinten alle so stark, dass ich nicht umfiel und bevor ich richtig gucken konnte, war der Spuk vorbei. Letzenendes saß ich mit zwei Chinesinnen, mit denen ich mich schon in der Wartehalle unterhalten hatte, auf einer Bank. Die beiden waren sehr um mich besorgt und drückten mir alle zwei Minuten irgendetwas Undefinierbares in die Hand, dass ich probieren musste. Kein Nein wurde akzeptiert und erst als die eine auf meinem Schoß einschlief, konnte auch ich schlafen. Die beiden festigten meinen ersten Eindruck, dass die Leute aus dieser Gegend besonders gastfreundlich sind.

Als wir in Peking ankamen, hatte ich das Gefühl nach Hause zu kommen.

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